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Schwarzer Holunder

Sambucus nigra

Heilpflanze des Jahres 2024

Holder, Holler, Schwarzholder, Holderbusch, Deutscher Flieder, Elderbaum, Stinkeholder, Hausholder, Schwitztee, Brechholz, Teufelsbeeren, Teebusch, Lausholder

Der Holunder ist ein kleiner Baum oder Strauch aus der der Moschuskrautgewächse (Adoxaceae). Bis zum Jahr 2011 wurde er der Familie der Geißblattgewächse (Caprifoliaceae) zugerechnet. Er kann bis zu 100 Jahre alt werden, ist in Europa, Westasien und Nordafrika heimisch und wächst flachwurzelnd und weit verbreitet an Wegrändern, feuchten Waldrändern und in Gebüschen. In ländlichen Gegenden siedelt er auch gern in der Nähe von Häusern, Hofeinfahrten, Ställen und Scheunen. Weltweit gibt es 40 Holunderarten. Neben dem Schwarzen Holunder kommen in unseren Breiten noch der Rote oder Trauben-Holunder (Sambucus racemosa) und der Zwergholunder oder Attich (Sambucus ebulus) vor. An die Bodenbeschaffenheit stellt der Holunder keine besonderen Ansprüche. Er wurzelt nur flach mit dicken Wurzelsträngen und vielen Feinwurzeln und erreicht Höhen von 3 bis 7 m. An günstigen Standorten kann er aber auch zu einem hohen Baum heranwachsen, der nur selten einen einzigen Stamm aufweist. Meist bildet der Holunder lang aufsteigende und wenig verzweigte Einzeltriebe. Die Äste wirken häufig morsch und abbruchreif. Die unangenehm riechende Rinde des Stamms und die der älteren Zweige ist korkartig, graubraun und von tiefen Schrunden und Furchen durchzogen. Die jüngeren grünen Zweige sind mit zahlreichen grauen Rindenporen (Lentizellen) besetzt. In den Ästen und Zweigen ist ein weißes, weiches, styroporartiges Mark enthalten. An den Zweigen stehen sich immer zwei eiförmige Knospenpaare, die von rotbraunen, glänzenden Knospenschuppen geschützt sind, gegenüber. Die unpaarig gefiederten Laubblätter mit elliptischen Einzelblättern und gesägtem Blattrand werden bis zu 30 cm lang. Die Blattoberseite ist dunkelgrün, die Unterseite stark geädert. Wenn man sie zerreibt, steigt ein modriger Geruch auf. Im Herbst färbt sich das Laub hellgelb und fällt bei Frost komplett ab. Die kleinen weiß-gelben fünfzähligen Blütensternchen stehen in großen schirmförmigen Blütenständen am zweijährigen Holz. Sie verbreiten einen intensiven süßlichen Geruch und locken damit zahlreiche Insekten an. Nach der Bestäubung verändert sich der Geruch und wird unangenehm. Der Holunder wird häufig von Blattläusen heimgesucht. Blütezeit: Mai bis Juli Aus den Blütenrispen entwickeln sich erbsengroße Steinfrüchte, die Beeren genannt werden. Sie reifen an Stielen heran, die sich während des Reifeprozesses von tiefgrün nach dunkelrot färben. Durch sein Gewicht biegt sich der Fruchtstand nach unten. Die zunächst grünen, später blau-schwarzen, glänzenden saftigen Steinfrüchte sind roh schwach giftig. Sie enthalten in ihrem Inneren drei Samen. Zahlreiche Vogelarten lieben die Früchte und sorgen zugleich auch für die Verbreitung des Holunders.

Gegensätzlichkeit des Holunders:

Die Blüten sind weiß – die Früchte schwarz.

Rohe oder unreife Beeren sind giftig – gekochte Beeren heilen.

Das Holz ist fest und hart – das Mark weich

Steckbrief

- Pflanzenfamilie: Moschuskrautgewächse Adoxaceae
- Anwendungsbereich: Erkältungskrankheiten
- Blütenfarbe: weiß-gelb
- Giftigkeit: schwach giftig
- Lebensdauer: ausdauernd

Blütezeit

Mai - Juli

Verwendete Pflanzenteile

Blüten, Früchte, Blätter, Rinde und Wurzeln, Holz

Inhaltsstoffe

Blüten: Flavonoide, ätherische Öle, schweißreibende Glykoside, Farbstoff Sambucyanin, Gerbstoffe, Schleim

Rinde: Gerbstoffe, Spuren von ätherischem Öl, Flavonoide, Glykoside

Früchte: Flavonoide (vor allem Anthocyane), Gerbstoffe, Zucker, ätherisches Öl, Vitamine, Mineralien, Blausäureglykosid Sambunigrin, das durch Erhitzen unschädlich wird

Wurzeln: Schleimstoffe, Gerbstoffe

Blätter: Glykosid Sambunigrin-Amygdalin

Heilwirkung

Der Holunder ist eine der ergiebigsten heimischen Heilpflanzen, weil alle Teile des Strauchs zu Heilzwecken genutzt werden können. Die Konzentration von Wirkstoffen in den einzelnen Pflanzenteilen ist jedoch sehr unterschiedlich. „Rinde, Wurzel, Blatt und Blüte – jeder Teil ist Kraft und Güte, jeder segensvoll“ lautet eine alte Volksweisheit. Die Holunderblüten wirken schweißtreibend und fiebersenkend und werden als Schwitztee, allein oder in Kombination mit Lindenblüten, Hagebutten oder Süßholz bei fieberhaften Erkältungskrankheiten und Grippe verwendet, weil sich der Körper über das Schwitzen von Giftstoffen befreit. Besonders bei Erkältungen werden die Abwehrkräfte unterstützt. Die vitaminhaltigen reifen Früchte oder der Saft der Früchte werden zu Marmelade oder Gelee verarbeitet. Sie wirken mild abführend und werden bei Verstopfung und zur Anregung der Harnausscheidung verwendet. Die Rinde und Wurzeln wirken stark harntreibend. Sie werden bei rheumatischen Beschwerden und als Brech- und Abführmittel verwendet. Die Rinde gilt auch als Mittel gegen Insektenstiche und akute Entzündungen. Der Tee aus Blättern wirkt nur leicht harntreibend.

Nebenwirkungen

Bei den Blüten nicht bekannt. Rinde, Wurzeln und Blätter sind vorsichtig zu dosieren, in der Schwangerschaft sollte auf die Verwendung gänzlich verzichtet werden. Es kann zu Übelkeit kommen.

Geschichtliches

Bereits seit prähistorischen Zeiten ist der Holunder als Nahrungsmittel und Heilpflanze bekannt und galt als „Apotheke der armen Menschen“. Keine andere Pflanze wurde über die Jahrhunderte hinweg so wertgeschätzt und verehrt wie der Holunder. „Rose der Armen“ wurde er genannt, weil er mit seinen Blüten für Schmuck auf einfachen Gehöften sorgte.

Der Name Holunder soll aus dem Althochdeutschen „holan-tar“ (hohler Baum) abgeleitet sein, wegen der leichten Marks und der Zweige, die vertrocknet hohl werden. Der lateinische Gattungsname Sambucus weist auf ein antikes Saiteninstrument, die Symbyke hin, das aus dem Holz des Holunders gefertigt war, nigra ist das lateinische Wort für schwarz und bezieht sich auf die reifen Früchte.

Bis ins 16. Jahrhundert hieß der Holunder hierzulande „Flieder“. Der heute unter diesem Namen bekannte Zierstrauch (Syringa vulgaris) gehört zu den Ölbaumgewächsen (Oleaceae) und wurde aus Konstantinopel eingeführt. Es kommt gelegentlich zu Missverständnissen, wenn die Holunderfrüchte als „Fliederbeeren“ bezeichnet werden oder der Tee aus den Blüten „Fliedertee“ genannt wird.

In vorchristlichen Kulturen spielt der Glaube an eine große Göttin in Mythen und Märchen eine große Rolle. Als Erdgottheit, die man unter verschiedenen Namen kennt, ist sie für Leben und Tod zuständig. In Thüringen, im Harz und in Hessen nennt man sie Frau Holle (die Huldvolle), in Österreich Perchta (die Glänzende, die Leuchtende), in den nordischen Ländern Frau Wode, und in den slawischen Ländern wird sie Baba Jaga genannt.

Leider gibt es keine schriftlichen Aufzeichnungen aus vorchristlicher Zeit, so dass sich die Kenntnisse über das Leben der Menschen - Kelten, Germanen und Slawen - durch archäologische Funde und einzelne Berichte griechischer und römischer Chronisten erschließen.

Die Germanen, ein Volksstamm, der in Nordeuropa (Südschweden, Jütland und Schleswig-Holstein) lebte, sind vor allem die Nachfahren bodenständiger skandinavischer Ureinwohner. Sie betrieben Ackerbau und Fischerei und statteten ihre Krieger mit Rundschilden aus. Sie betrieben Handel mit den südlicheren Nachbarn (Bernstein und Felle gegen Bronze). Während der Bronzezeit rückten sie nach Süden, Osten und Westen vor und trafen auf die Kelten, von denen sie die Techniken der Eisenbearbeitung und landwirtschaftliche Techniken übernahmen. Auch der kulturelle Austausch wurde gepflegt, Märchen, Mythen und Göttervorstellungen überquerten Stammesgrenzen.

Die Kelten siedelten im Westen Europas, im Gebiet des heutigen Frankreichs und Großbritanniens. Durch eine ausgeprägte Kultur nahmen sie die Vormachtstellung in Mitteleuropa im letzten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung ein. Sie lebten auf dem Niveau des Mittelalters und verfügten bereits über ein gut ausgebautes Wegenetz. Zum Volk gehörten Bauern, Hirten, Handwerker und Händler. Krieger, die über Langschwerter aus Eisen verfügten, stellten die Herrscher und Gesetzeshüter. Die Opferpriester (Druiden) waren die geistlichen oder spirituellen Oberhäupter der Kelten, die die Traditionen des Stammes bewahrten und das Verhältnis zu den Göttern und Ahnen regelten. Als Familienverband lebten sie mit ihren Tieren (Schafe, Rinder, Schweine) unter einem Dach. Der Besitz von Vieh war gleichbedeutend mit Reichtum. Diebstahl von Tieren war eines der schlimmsten Verbrechen. Pferde galten als die heiligsten Tiere, weil mit ihnen neue Gebiete erobert werden konnten. Pferde führten die Menschen aber auch nach dem Tod in die jenseitige Welt. Die Kelten betrieben Handel mit allen Völkern des antiken Europas und exportierten Getreide und Vieh bis nach Rom. Die Römer bezahlten u.a. mit Wein. Als Zahlungsmittel wurden auch Münzen geprägt, das Geldwesen der Kelten wurde von den Römern übernommen. Als Bauern war das Leben der Kelten eng mit dem Jahreszyklus der Pflanzen verbunden. Sie betrieben Ackerbau und bauten auf kleinen umzäunten Äckern Getreide (Emmer, Dinkel, Hirse, Gerste) und Hülsenfrüchte an. Sie erfanden den Räderpflug mit einer eisenbeschlagenen Pflugschar, der von Pferden gezogen wurde und die hölzernen Hakenpflüge ablöste. Mit geschmiedeten Sensen wurden die Felder abgeerntet. Die Kleidung wurde aus Nessel, Lein oder Wolle gefertigt und mit Naturfarben gefärbt. Zahlreiche Götter wurden in der Natur, in Quellen, Flüssen, Seen und Bäumen verehrt. Der Holunder galt bei ihnen als heiliger Baum, als Schutzbaum der Familie, der die Nähe der Menschen sucht. Für die Kelten verkörperte er die Unendlichkeit des Lebens. Er schließt das Jahr ab, erscheint im Winter wie tot, erwacht aber im Frühling wieder zu neuem Leben. Durch Romanisierung und Germanisierung wurde die keltische Kultur dezimiert.

Im Holunder wurde die Göttin Holde, Hulda, Holle, Holla als Göttin des gesegneten Lebens verehrt, die später als Frau Holle im Märchen der Gebrüder Grimm auftaucht. Die Naturgöttin lebt als alte weise Frau und guter Schutzgeist in den Zweigen des Baumes und wacht über die Ehe, Geburten und die Hauswirtschaft. Sie begleitet das Leben der Menschen und sorgt für alle Bewohner des Hauses. Jeder Baum ist eine Tür zu ihrem Reich, in dem auch die guten Hausgeister wohnen. Man glaubte, dass man den Holunder nicht pflanzen müsste, weil die Göttin selbst den besten Platz für das Gehölz finden würde – irgendwo in der Nähe der Menschen, dicht beim Haus. Deshalb galt der Holunder als grüner Hüter von Haus und Hof, der die Kraft besaß Blitze abzuwehren und Schlangen und den Teufel zu vertreiben. Aus diesem Grund wurden auch die Riegel für Stalltüren aus dem Holz des Holunders gefertigt. Die Menschen profitieren von den starken Heilkräften des Strauchs, vor dem man sich verneigen und ehrerbietig den Hut ziehen musste „Hut herunter vor dem Holunder“.

Die weißen Blüten des Holunders kennzeichnen das Wesen von Frau Holle, die den Menschen gegenüber freundlich, mild gesonnen, großzügig und gerecht ist und Pflanzen und Tiere schützt. Wer nach ihren Regeln lebt, profitiert vom auserwählten Baum der Frau Holle und wird reichlich belohnt. Frau Holle bewahrt die Menschen vor Feuer, Seuchen und jeglichem Unheil und überwacht, mahnt, belohnt oder bestraft die Menschen. Brunnen und Höhlen sind die Eingänge zu ihrer Welt, in der sie die Elemente beherrscht und über das Wetter und die Jahreszeiten regiert. Zu ihr beteten die Germanen, brachten ihr Opfer dar und baten um die Fruchtbarkeit der Felder.

Regen fällt, wenn Frau Holle Waschwasser ausleert, und es schneit, wenn sie die Betten schüttelt. Je gründlicher sie das tut, desto mehr Schnee fällt auf die Erde. Sie spinnt den Lebensfaden und gilt deshalb als Schutzgeist des Flachsanbaus, der Spinnerinnen und der Weber. Aber sie schneidet den Lebensfaden auch wieder ab. Als Erdmutter bringt sie die Kinder zur Welt, beschützt diese und nimmt ihnen in der Nacht die Alpträume. Jeden Abend schaut sie durchs Fenster, um zu prüfen, ob alles in Ordnung ist. Die schwarzen Beeren des Holunders erinnern daran, dass Frau Holle aber auch die Herrin der Unterwelt ist, die manchmal die verstorbenen Seelen der Kinder in ihr Reich zurückholt.

Kinder, die im Schatten des Holunders spielten, waren dort vor Verzauberung geschützt: „Ringel, Ringel, Reihe, wir sind der Kinder dreie, sitzen unterm Holderbusch, machen alle husch, husch, husch.“ Der Baum beschirmte auch das Vieh, bewahrte das Haus vor Feuer und Blitzschlag und hielt böse Geister fern. Unter Einhaltung bestimmter Rituale sollte der Holunder den Menschen auch Krankheiten abnehmen. Man befreite sich von seinem „Problem“, indem man dem Holunder alle möglichen Leiden anhängte (Eiter, Zähne, Nägel…) oder sie unter dem Busch vergrub und den Baum ersuchte, die den Wundverbänden anhaftende Krankheit in die Unterwelt abzuleiten. Von Zahnschmerzen Geplagte bissen auf einen Holunderzweig. Ein Amulett aus dem Holz befreite von Rheuma. Kinderlose Frauen umarmten den Holunder, weil sie hofften schwanger zu werden. Wer einen Holunderzweig bei sich trug, sollte vor Ehebruch geschützt sein. Bei Fieber ging man zum Holunder, band einen Bindfaden um den Stamm und murmelte vielleicht folgenden Spruch:

Guten Tag, Flieder, ich bring dir mein Fieber, ich binde es an und geh in Gottes Namen davon.

Ein anderer magischer Spruch, der an drei Tagen hintereinander morgens vor Sonnenaufgang zum Holunder gesagt werden musste, lautete:

Holunder, ich hab‘ die Gicht, und du hast sie nicht. Nimm sie mir ab, so dass ich sie auch nicht hab.

Gegen Kopfschmerzen wurden frische Holunderblätter auf den Kopf gelegt. Wenn sie warm wurden, wurden sie gewechselt.

Weil der Holunder so viele Lasten auf sich genommen hatte, wagte man es nicht, einen Baum achtlos zu stutzen, zu roden oder sein Holz zu verbrennen. Man befürchtete, dass dann ungute Energien freigesetzt würden, auf den Frevler übergingen und ein großes Unglück hereinbrechen würde. Wer einen Holunder beschädigte, musste befürchten, von Krankheiten heimgesucht zu werden. Nur wer in großer Not war, konnte das Holz vom Holunderbaum nutzen. So durften Witwen und Waisen ungestraft das Holz verbrennen, weil sie zuvor bereits von schwerem Leid getroffen waren. Festgelegte Rituale waren einzuhalten, wenn ein zu kräftig gewachsener Holunder gestutzt werden musste. Auf Knien und mit entblößtem Haupt wurde Frau Holle um Erlaubnis gebeten, wenn von dem Holz etwas genommen würde. Zugleich wurde dem Holunder eine Opferspende versprochen, die in bestimmter Frist eingelöst sein musste.

Unter dem Holunder wurden auch die Verstorbenen der Germanen bestattet, weil er als Totenbaum und als Tor zur Unterwelt angesehen wurde. Die Verstorbenen wurden auf Holunderreisig gebettet, bei der Totenwache wurde Holundertee getrunken. Als Maß für den Sarg des Verstorbenen diente ein abgeschnittener Ast, und statt der Peitsche nahm der Kutscher auf der Fahrt zum Friedhof einen Holunderstock. Häufig wurde ein Holunderzweig auf die Grabstelle gepflanzt. Wenn das Holz frische Triebe zeigte, sah man das als Zeichen, dass der Verstorbene gnädig im Totenreich aufgenommen worden war.

Darüber hinaus war der Holunder das Gehölz, das den Menschen den Zugang zu den verstorbenen Ahnen ermöglichte. Diese wurden nicht vergessen, sondern blieben Teil der Familie blieben und wurden um Rat gefragt. Dafür wurde der Strauch mit Milch und Brot als Opfergaben bedacht, ein Brauch, der noch im 19. Jahrhundert weit verbreitet war. Verdorrendes Holz galt als Zeichen, dass bald ein Familienmitglied sterben würde. In unsicheren Zeiten wurde der Holunder als „Schatzhüter“ vor plündernden Horden genutzt. Man vergrub Schmuck oder Münzen unter dem Strauch und hackte danach die Äste ab. Wenn die Bewohner irgendwann später zurückkehrten, konnten sie die Stelle, wo sie graben mussten, leicht ausmachen, weil der Holunder wieder frisch ausgetrieben hatte.

Mit der Christianisierung wurde der Brauch an Quellen und Gebüsch zu beten und zu opfern verboten und mit hohen Strafen belegt. Die in vorchristlicher Zeit besonders verehrte Baumarten wurden nun sehr negativ dargestellt und mit Hexen und Teufeln in Verbindung gebracht. Aus der gütigen Göttin Holle wurde ein gefährlicher Spukgeist, der in den Raunächten mit Unholden über den Himmel zieht, kleine Kinder raubt und Tod und Verderben bringt.

Kirchenheilige nahmen den Platz der im Volksglauben stark verankerten heidnischen Göttin Holle ein, und über den Holunder wurde manche Legende erdacht: Auf der Flucht nach Ägypten soll die Gottesmutter Maria unter einem Holunder gerastet haben, auf dessen Zweige die Windeln des Jesuskindes getrocknet wurden. Man glaubte auch fest daran, dass man unter dem Holunder nicht vom Blitz getroffen werden kann, weil der Baum der Heiligen Familie Schutz in schwerer Zeit bot. Weil Jesus auf dem Weg nach Golgatha mit einem Holunderstock geschlagen wurde, weist das Holz noch heute tiefe Schrunden auf. Nachdem er Jesus verraten hatte, erhängte sich Judas an einem Holunderast, und seitdem haftet den Blättern auch ein modriger Geruch an.

Die antiken Heilkundigen erwähnen den Holunder mit großem Lob. Hippokrates (460 bis 377 v. Chr.) preist bereits die galletreibende, abführende und harntreibende Wirkung der Beeren und empfahl sie für Frauen bei Unterleibsbeschwerden. Dioskurides nutzte die Blätter als Auflage bei Furunkeln, die Wurzeln bei Ödemen. In Wein gekocht sollten die Wurzeln gegen Schlangen- und Hundebisse helfen. Plinius (23 bis 79 n. Chr.) nennt bereits den Gattungsnamen Sambucus. Auch Hildegard von Bingen kannte die Wirkung der Blüten. Im 13. Jahrhundert vertrat Albertus Magnus die Meinung, dass die innere Rinde von oben nach unten geschabt als Abführmittel genutzt werden könnte, von unten nach oben geschabt sollte sie als Brechmittel dienen. Kräuterpfarrer Kneipp schließlich empfahl die getrockneten Holunderblüten ebenfalls als lösendes und schweißtreibendes Mittel.

Das Holz des Holunders ist hart, mittelschwer und leicht spaltbar. Es lässt sich schlecht trocknen, neigt zu Rissbildung und wird für Drechslerarbeiten genutzt. Aus dem Holz wurden Türriegel gefertigt, die Schutz vor Blitz und Feuer gewähren sollten. Die Zweige des Holunders wurden für Blasrohre ausgehöhlt, die unreifen Früchte dienten als Blasrohrgeschosse. Auch Flöten, mit denen man Naturgeister rufen konnte, wurden aus ausgehöhlten Zweigen geschnitzt.

Ein gerader Holunderstock, ein Seil und ein Stück Weichholz wurden in vorchristlicher Zeit benötigt, um ein Feuer zu entfachen. Dazu wurde die Spitze eines Holunderstocks mit Hilfe des Seils und hohem Tempo auf dem Weichholzstück bewegt. Durch die Reibung entstand so viel Hitze, dass trockener Zunder oder das Mark des Holunders für einige Sekunden zu glühen anfingen, lange genug, um anderes brennbares Material zu entfachen.

Holunder gilt als eines der stärksten Färbemittel in der Natur. Die Rinde des Holunders färbt tiefschwarz, die Blätter liefern einen moosgrünen Farbton. Die reifen Früchte enthalten vor allem in ihren Schalen den dunkelvioletten Farbstoff Sambucyanin, mit dem bereits die Damen der römischen Aristokratie ihre Haare gefärbt haben. Heute wird der Farbstoff u.a. für Süßwaren in der Lebensmittelindustrie verwendet.

Ein Aufguss der Blätter kann Maulwürfe und Mäuse vertreiben, wenn er in die Gänge der Tiere eingebracht wird.

Holunderküchle, die am Johannistag gepflückt und sofort nach der Ernte in Pfannkuchenteig gebacken und verzehrt werden, gelten als besonders heilkräftig und sollen ein Jahr lang vor Krankheiten schützen. Aus Holunderblüten kann mit Wasser und Zucker ein Sirup gekocht werden. Holunder ist eine wichtige Zutat zu Modedrinks wie „Hugo“ (Holunderblütensirup, Prosecco, Minze, Soda und Limetten).

Im Märchen „Frau Holle“ der Gebrüder Grimm, das 1812 veröffentlicht wurde, wird ein Mädchen von seiner Stiefmutter gegenüber der leiblichen Tochter arg zurückgesetzt. Es muss eine verlorene Spindel wiederholen, die in den Brunnen gefallen ist und wird deshalb von der Stiefmutter aufgefordert, in den Brunnen zu springen. Dort gerät sie in eine andere Welt und tritt in die Dienste von Frau Holle, einer mütterlichen Gestalt, die Wärme und Vertrauen vermittelt. Im Verlauf des Jahres übernimmt sie die Aufgaben, die ihr zugewiesen werden. Sie bäckt Brot aus dem Sommergetreide und erntet im Herbst die Äpfel. Sie schüttelt die Betten, und Frau Holle lässt es auf der Erde schneien. Zum Abschied wird das Mädchen mit einem Regen aus Goldstücken reich belohnt.

In der Oper „Hänsel und Gretel“ wird ein Holunderzweig als Zauberstab genutzt: „Hokus pokus Holdebusch, schwinde Gliederstarre, husch!“

Das Märchen „Mutter Holunder - Fliedermütterchen“ von Hans Christian Andersen erzählt die Geschichte eines fiebernden Kindes und seiner Genesung. Die Mutter des Kindes in dem Märchen weiß genau, was sie bei einer beginnenden Erkältung zu tun hat: Sie kocht Fliedertee. Damit erhöht sie die Körpertemperatur des erkälteten Kindes, denn Holundertee wärmt und führt zum Schwitzen. Zugleich reagiert das Immunsystem und leitet die Heilung ein.

„Holla, die Waldfee“ ist ein Ausspruch, mit dem Erstaunen, Verblüffung, Überraschung, aber auch Lob und Anerkennung ausgedrückt werden.

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